Geistliche Gespräche, aus dem Buch Kontemplative Exerzitien von Franz Jalics, S. 41-45
Barbara
Exerzitienmeister (EM): Barbara, du warst jetzt einige Stunden in der Natur. Wie ist es dir ergangen?
Barbara:Ich bin noch nicht angekommen. Die ganze letzte Woche rauscht noch in meinem Kopf. Ich fühle mich sehr unruhig. Ich bin zwar durch die Gegend gesaust, habe aber nichts gesehen und nichts gehört. Ich war in Streitgesprächen im anderen.
EM: Du bist noch aufgewühlt.
Barbara:Das ist es.
EM: Hast du versucht, in die Wahrnehmung zu kommen?
Barbara: Nein, noch nicht.
EM:Versuche zuerst, langsamer und dann noch langsamer zu gehen. Fällt es dir noch zu schwer, mach zuerst einen Dauerlauf, nimm eine Dusche, und du wirst bestimmt ruhiger werden. Wenn es dir noch nicht möglich ist, richtig stehenzubleiben und bei etwas anzuhalten, versuche als ersten Schritt, im Gehen umherzuschauen und etwas flüchtig wahrzunehmen. Geh jetzt wieder in die Natur hinaus.
Claudia
Claudia: Ich ging mit gemischten Gefühlen spazieren. Ich hatte kein Buch dabei dann dachte ich, du darfst ja nicht lesen.
EM: Das hat dir Unbehagen bereitet.
Claudia: Ja, denn ohne Buch fühle ich mich schutzloser, so als wäre ich viel mehr mit mir selber konfrontiert. Dennoch bin ich hinausgegangen. Viele Gedanken kamen. Als ich ein paar Meter vor mir einen verdorrten Baum sah, war ich zutiefst berührt.
EM:Du hast dich mit diesem verdorrten Baum identifiziert.
Claudia: Ja, ziemlich, dann kam Traurigkeit, viel Traurigkeit. Ich sah mich in diesem Baum. Ich fühlte mich wie ein ausgetrockneter Stamm, ohne Leben, abgestorben und kaputt. Ich kehrte dann zu einer Gebetsweise zurück, die ich schon lange nicht mehr praktiziert hatte, und zwar, dass ich alles einfach so dalasse und anschaue, wie es ist.
EM: Daraufhin bist du ruhiger geworden.
Claudia: Ja, die Traurigkeit wirkte noch eine Weile nach. Sie wurde sogar intensiver. Ein wenig habe ich auch geweint. Später kehrte mehr Ruhe ein. Beim genauen Hinschauen entdeckte ich viel Leben um den verdorrten Baum und ich bin lange friedlich dagestanden.
EM: Das ist Kontemplation. Siehst du, du hast es ganz natürlich entdeckt, ohne dass es dir jemand gesagt hätte. Die Liebe sagt: Es ist, wie es ist. Anschauen und es so lassen, wie es ist. Das ist die eigentliche Kontemplation.