Impuls 5. Woche Montag


Vor einer grünen Landschaft wird die Wollust (Luxuria) dargestellt. Ein Liebespaar hat sich in einem weit geöffneten runden Zelt niedergelassen. Der junge Mann liegt zu Füßen seiner sitzenden Dame, die in ihrer rechten Hand eine rote Nelke hält, während sie mit der linken ihrem Geliebten eine Trinkschale reicht oder diese von ihm entgegennimmt. Durch ihre Haube dürfte sie als verheiratet gekennzeichnet sein. Rechts auf dem Boden kriecht ein Narr unter der Zeltdecke hindurch auf das Paar zu. Sein nacktes Gesäß befindet sich noch außerhalb des Zeltes, wo ein Mann mit großem Holzlöffel zum Schlag ausholt. Der Narr verkörpert in der Tradition von Liebesgartendarstellungen die Torheit der niederen Minne. Die Rolle des strafenden Löffelschwingers bleibt hingegen unklar. Seiner Gürteltasche nach könnte er der Wirt oder Kuppler sein, der die Romanze vor dem Störenfried schützen will. Weit hinten in dem perspektivisch stark verzerrten Zelt steht ein zweites Liebespaar. Die Frau, die ohne Haube und mit hochgesteckten Zöpfen als Jungfrau charakterisiert ist, wird von einem vornehm gekleideten Verführer bedrängt. Dessen Kleidung entspricht nicht der Mode um 1500, wie bei dem in Vordergrund liegenden jungen Mann. Möglicherweise wollte der Maler durch eine solche Retrospektive die Zeitlosigkeit menschlicher Laster veranschaulichen. Vor dem Zelt sind diverse Gegenstände angeordnet, die lange Tradition in der Ikonographie von Liebesgärten haben: ein Gartentischchen auf dem unter anderem ein Teller mit Kirschen steht, auf dem Boden eine Feldflasche sowie Instrumente früherer Unterhaltungsmusik: eine Harfe, eine Flöte und eine Einhandtrommel. (vgl. Pokorny Frühneuzeit-Info)
Die oben gezeigte Szene spielt in einer Stube. Ihre Figuren zeigen die Unmäßigkeit (Gula) in Form von Fress- und Trunksucht. An einem mit Braten und Brot gedeckten Tisch sitzt ein fettleibiger Mann, in der einen Hand eine Stelze, in der anderen einen Trinkkrug, nach dem sein Sohn gierig die Arme ausstreckt. Beide tragen die gleichen zerrissenen Schuhe, aus denen die nackten Zehen hervorstehen. Dies kennzeichnet sie ebenso wie das blutende Geschwür am Hinterkopf des Knaben als falsche Bettler, die es sich zu Hause gut gehen lassen. Rechts des Tisches säuft ein ausgemergelter Bettler aus einem großen Krug, während links die Hausfrau mit einem Gänsebraten den Raum betritt. Über ihr bzw. der Tür sitzt in einer dunklen Nische ein Kauz, ein Symbol für törichte Sündhaftigkeit. Ein weiteres negatives Symbol, mit dem er mitunter die Feinde Gottes kennzeichnete, hängt an der Rückwand: ein Hut, in dem ein Pfeil steckt. Weiter rechts steht ein Trinkkrug am Fenster und ein Messer hängt an der Wand. Noch mehr Zeichen der Völlerei liegen auf dem Boden: links und rechts eines kleinen Feuers eine Wurst auf einer Feuerzange und ein Kochtopf; rechts davon ein umgeworfener Stuhl, der als Zeichen der Unordnung an den umgeworfenen Tisch in der Zorndarstellung erinnert. Von häuslichem Chaos zeugt auch die Kindersocke auf der Stuhllehne. Links des Knaben steht ein Kinderstuhl, der ebenso wie das daneben liegende Spielzeug, Hockeyschläger und Kugel, ein Symbol der Kindheit darstellt. Dass gerade im Zusammenhang mit der Maßlosigkeit auf die Vererbung eines Lasters hingewiesen wird, hat möglicherweise damit zu tun, dass man Bettler nicht nur mit Fresssucht, sondern auch mit Kinderreichtum assoziierte. (vgl. Pokorny Frühneuzeit-Info)